Also zunächst - was ist diese Diät: man geht hier von der Annahme aus, dass der menschliche Körper noch immer mit dem Erbgut der Steinzeit ausgestattet ist, und jene Lebensmittel, die damals verfügbar waren, am besten verdauen kann. Also Fleisch, Fisch, Nüsse, Beeren, Samen, Knollen, Früchte - alles was es in der Natur gab. Getreide und Milchprodukte kamen erst mit dem Sesshaft-werden der Menschen auf den Speiseplan und werden daher gemieden. Wir wissen ja - mit der neolithischen Revolution vor etwa 10.000 Jahren ging zunächst eine Verschlechterung der Gesundheit der Menschen einher. Bis Getreide soweit kultiviert war, dass nennenswerte Mengen zur Verfügung standen und die Verarbeitung perfektioniert war, dauerte es lange. In dieser Zeit kamen, dort wo Milchvieh gehalten wurde, zusätzlich Milch und Milchprodukte zur Ergänzung auf den Speiseplan - eine massive Umstellung für unsere Vorfahren, denn dazu musste die Möglichkeit, Milch zu verdauen über das Säuglingsalter hinweg aufrecht erhalten werden (das können heute etwa 80% der Europäer) und die Nahrungszusammensetzung war auf einmal grundlegend anders. Die neolithische Revolution ermöglichte aber unsere heutige Zivilisation und das Wachstum der Populationen.
Völker, die heute noch ohne Kontakt zur Zivilisation leben, ernähren sich ähnlich wie das Steinzeitmodell vorgibt, was der "Paleo-Idee" Rückenwind gibt, und sie sind frei von unseren Zivilisationskrankheiten.
Steinzeitmenschen leben viel kürzer?
Ein Einwurf ist natürlich immer, dass Steinzeitmenschen nur eine geringe Lebenserwartung hatten. Wer allerdings in Betracht zieht, dass jede kleine Infektion ohne medizinische Versorgung tödlich verlaufen kann, dass jeder Beinbruch das Todesurteil sein kann, kann den Befund durchaus viel entspannter sehen. Ohne unsere medizinischen Errungenschaften, unsere Hygiene und Pharmaka wären wir sicher auch sehr viel kürzer lebendig auf unserem Planeten.
Kann man heute nach Steinzeitvorbild leben?
Aber zurück zur Paleo-Philosophie: kann man die heute wirklich leben? Streng genommen - nein. Unsere Ahnen, per Zeitreise zu uns gebeamt, würden die Nahrungsmittel, die wir heute konsumieren, nicht kennen. Und da reden wir nicht von der Convenience-Schiene oder den Kuchen, Keksen, Chips etc.
Wir reden von Früchten, Gemüse, Obst, die völlig anders aussehen und von uns Menschen in langen Jahrhunderten entsprechend gezüchtet wurden. Ein Maiskölbchen war ursprünglich etwa 1 cm groß ….. das würden wir heute am Grill nicht mehr finden ;-)
Hier ein Bild dazu - Mais 7000 vor Christus und heute:
Gleiches gilt für alle anderen Bereiche, einschließlich Fleisch. Den Auerochs gibt's nicht mehr - unsere optimierten Rinder, Schweine und Truthähne haben die Szene übernommen.
Was bedeutet also Paleo? Es ist die Philosophie, so natürlich wie möglich zu essen. Würden unsere zu uns gebeamten Vorfahren bei unseren Buffets nicht zuschlagen? Doch, sehr wohl und mit höchstem Genuss! Doch nach dem Amok-Lauf des Insulinsystems und dem großen Fressen mit berstenden Kohlenhydratspeichern und vollen Fettzellen käme unweigerlich die nächste Hungerperiode. Weil zu keiner Zeit in unserer Menschheitsgeschichte Nahrung in derartigem Überfluss und so hochkalorisch zur Verfügung war. Einem großen Genuss folgten für unsere Ahnen Tage, an denen es nichts gab und daher auf die körpereigenen Speicher zurückgegriffen werden konnte und musste. Dadurch blieb das gesamte System im Lot. Wir sind von Mutter Natur genau dazu gemacht, in Zeiten des Überflusses zuzuschlagen, um dann in den Zeiten des Mangels davon zehren zu können.
Allein ………. der Mangel tritt nicht mehr ein. Und zusätzlich dazu hat unsere Industrie in Kombination mit spannenden Ernährungsstudien und missionarischen Diätologinnen Fett aus der Nahrung verbannt, Kohlenhydrate hineingepumpt und das Ganze mit einigen tausend (!) Zusatzstoffen aufgepimpt, sodass wir heute eine Epidemie an Übergewicht, Fettsucht, Allergien, Diabetes, metabolisches Syndrom etc. sehen. Unsere Brüder und Schwestern in Amerika haben seit 1980 brav den Anteil von Fett in der Nahrung gesenkt (gesättigtes Fett um ganze 14%!), essen viel weniger Fleisch, viel mehr Hühnchen und viel mehr Kohlenhydrate, haben den Gesamt-Cholersterinwert der Bevölkerung drastisch gesenkt (von 213mg/dl auf 203mg/dl) und den Anteil jener mit hohem Cholesterin (von 26% auf 19%) - und sind im Gegenzug dazu zu 68% fettleibig und zu 34% adipös geworden. 75 Millionen (der ca. 300 Millionen) leiden am Metabolischen Syndrom. Tendenz: auf allen Linien steigend.
1.5kg pro Jahr - an Zusatzstoffen!
Nur so zwischendurch noch eine Zahl zum Merken: der durchschnittliche Konsument nimmt jährlich ca. 1.5kg an Zusatzstoffen über die Nahrung zu sich, von denen keiner weiß wie sie wirklich wirken, und die unser Körper nie gekannt, gebraucht und verarbeitet hat.
Ist da die Rückkehr zur "ursprünglichen" Ernährung wirklich so jenseitig? Was viele schreckt ist der niedrige Anteil von Kohlenhydraten in dieser Form der Diät. Wir sind ja von Diätologinnen und Ernährungswissenschafterinnen auf viele Kohlenhydrate konditioniert. 50-60% der täglichen Nahrungsaufnahme sollten es unbedingt sein, sonst drohen sie, dass das Hirn Probleme bekommt.
Nur: was soll denn der Körper mit soviel Brennstoff machen? Kohlenhydrate sind in erster Linie Energie. Sie steht uns für intensive Belastung mit hoher Flussrate zur Verfügung.
Daher werden alle Top-Sportwissenschafter SPORTLERN - je nach Sportart - ab 50% Kohlenhydrate in der Nahrung empfehlen. Das sind Menschen, die 30 Stunden und mehr pro Woche intensiv trainieren. Die täglich ihre Glucosespeicher in Leber und Muskel leeren, die intensiv unterwegs sind, weil sie Europameister, Weltmeister oder Olympiasieger werden wollen.
Alle anderen, die einem normalen, westlichen Bewegungsmuster folgen, …… ja was machen die mit den Kohlenhydraten? Außer, dass sie sie als Fett speichern ? Nichts. Weil wir für unser normales Bewegungsmuster in erster Linie FETT verbrennen. Und das ist effizient und wie wir gesehen haben und funktioniert seit ein paar hunderttausend Jahren.
Daher ist der Ansatz "Paleo" durchaus vernünftig.
Allerdings: alles, was missionarisch ist, ist schlecht.
Also Grundsatz:
-
So bunt wie möglich
-
So vielfältig wie möglich
- So natürlich wie möglich
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Und selbst gekocht (und das heißt von den Rohstoffen bis zum fertigen Produkt!)